Die Alternative zur Entwicklung einer eigenen ist der Erwerb einer Standard-Software.
Ein bekanntes Beispiel ist die integrierte betriebswirtschaftliche Software SAP, die für unterschiedliche Branchen die wichtigen Geschäftsprozesse eines Unternehmens abdeckt.
Abweichungen von branchenüblichen oder das Vorkommen von branchenspezifischen Geschäftsprozessen erfordern jedoch zuweilen einen erhöhten Anpassungsaufwand.
Besteht aus diesem oder anderen Gründen der Wunsch nach einer anderen Branchenlösung, so stellt sich die unmittelbare Frage . . wie finde ich eine passende Software für das Unternehmen?
Analyse und Konzeption
Entsprechend der Neuentwicklung einer Software steht an erster Stelle die Analyse der bestehenden Prozesse und die Erstellung eines abgestimmten fachlichen Konzepts, das die Vorstellungen der beteiligten Verantwortlichen an eine ideale Software berücksichtigt.
Die beteiligten Verantwortlichen sollten sich aus jedem einzelnen Geschäftsbereich des Unternehmens rekrutieren, sollten über ein hohes Maß an Know-how verfügen, die Fähigkeit besitzen sich für ihren Bereich eine ideale Szene vorzustellen und gewillt sein hinsichtlich dieser Anforderungen Entscheidungen zu treffen.
Führen Sie Gespräche mit diesen Personen nach Möglichkeit immer einzeln. Auf diese Weise erhalten Sie gezielt und ohne Streuverlust genau die Informationen, die Sie benötigen, von genau der Person, die sie Ihnen in der Regel geben wird.
Klären Sie die restlichen offenen Punkte in kleinen Gesprächsrunden mit kompetenten Personen, die zu deren Lösung beitragen und besorgen Sie sich im Vorfeld alle notwendigen Informationen, um eine Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Unterstützen Sie weiterhin die Durchführung von Informationsveranstaltungen oder verwenden Sie andere Kommunikationsmittel, um die betroffenen Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen über den Stand und den Fortschritt des Projekts zu unterrichten und beantworten Sie alle gestellten Fragen, so Sie können und dürfen.
Das Fachkonzept wird durch den IT-Verantwortlichen und die Geschäftsleitung abgenommen und um technische, finanzielle und weitere Anforderungen ergänzt.
Auswahl
Aus der Gesamtheit dieser Anforderungen erfolgt als nächster Schritt die Erstellung einer Anforderungscheckliste und der anschließende Versand an alle Softwareunternehmen, die eine passende Branchenlösung anbieten.
Die Anbieter können über das Internet oder auch über einschlägige Messeveranstaltungen ermittelt werden.
Da die Beantwortung der Anforderungscheckliste mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, werden einige Unternehmen nicht, erst nach wiederholter Aufforderung oder verspätet antworten. Dies ist die erste Hürde und ein erstes Indiz für eine spätere mangelhafte Betreuung. Vermerken Sie diesen Minuspunkt für die spätere Bewertung.
Anhand der von den Softwareanbietern ausgefüllten und zurück gesendeten Checklisten werden nun die drei Softwarelösungen ausgewählt, die den höchsten Deckungsgrad mit den gewünschten Anforderungen aufweisen.
Für eine möglichst optimale Bewertung lassen Sie nach Erstellung der Checkliste eine Gewichtung der einzelnen Anforderungen durch die am Konzept Beteiligten vornehmen. Auf einer Skala von z.B. 1 bis 5 Punkten werden die einzelnen Anforderungen nach deren Wichtigkeit eingestuft. In unserem Beispiel wäre die Punktzahl 1 = nice to have und 5 = sehr wichtig.
Lassen Sie ebenfalls festlegen, welche nicht erfüllten Anforderungen ein KO-Kriterium darstellen und somit unabhängig von der Erfüllung anderer Kriterien zu einem Ausschluss aus dem weiteren Entscheidungsprozess führen.
Addieren Sie für jeden ausgefüllten Fragebogen die Punkte der erfüllten Anforderungen und nehmen Sie die drei Softwarepakete mit der meisten Punktzahl in die engere Auswahl.
Demonstration
Im nächsten Schritt erfolgt ein Besuch der drei Anbieter vor Ort mit einer Demonstration der Software.
Die Ergebnisse des Fragebogens sollten anhand dieser Demonstration verifiziert und zudem die Benutzerfreundlichkeit der Software bewertet werden.
Hier spielen die Verständlichkeit der Abläufe, die Übersichtlichkeit der Darstellung und die Navigation zwischen den Darstellungskomponenten eine Rolle und inwieweit, falls notwendig, bei einer grafischen Oberfläche Zeichensatz und Fenstergröße an die Belange der älteren Arbeitskollegen angepasst werden können, ohne dass die Übersichtlichkeit der Darstellung leidet.
Wichtig ist ebenfalls bei größeren Datenmengen eine Erfassung der Daten ohne Verwendung der Maus zu ermöglichen, also nur anhand der Tastatur. Eine Datenerfassung ohne Betätigen der Maus ist weniger beschwerlich und bringt eine nicht unerhebliche Zeitersparnis.
Ein weiterer Punkt, der nicht vergessen werden darf, ist die Überprüfung der Software-Dokumentation und der Online-Hilfetexte auf hinreichenden Umfang und Verständlichkeit.
Informieren Sie sich weiterhin über die Anzahl der Software-Installationen und über Referenzkunden in vergleichbarer Größe zu Ihrem Unternehmen und scheuen Sie sich nicht diese Unternehmen anschließend zu kontaktieren oder sogar zu besuchen.
Bewerten Sie neben der Software ebenfalls das Auftreten des Anbieters, sowie Größe und Erscheinungsbild der Firma. Sie sollten nach der Demonstration das Gefühl haben, dass es sich hier um einen Anbieter handelt, auf den Sie sich als Geschäftspartner verlassen können.
Es ergeben sich somit folgende Punkte hinsichtlich Software und Anbieter, die auf unserer Skala von 1 bis 5 bewertet werden können:
- Software: Handling, Benutzeroberfläche, Ergonomie, Dokumentation, Anzahl Installationen, Einsatz beim Referenzkunden
- Anbieter: Auftreten, Firmengröße und -erscheinungsbild
Jeder dieser Punkte kann ebenfalls als KO-Kriterium zu einem Ausschluss aus dem weiteren Entscheidungsprozess führen.
Zeit- , Personal- und Kostenaufwand
Selbst bei einem hohen Deckungsgrad der Anforderungen durch die drei Softwarepakete können bestimmte wichtige Funktionen fehlen.
Erstellen Sie ein Grobkonzept über diese fehlenden Funktionen und lassen Sie den Zeit- und Kostenaufwand für deren Implementierung durch die Softwareanbieter kalkulieren.
Erstellen Sie weiterhin in Zusammenarbeit mit dem Softwareanbieter ein Grobkonzept darüber, welche Daten in welcher Form und in welcher Weise aus dem Altsystem in das Neusystem migriert werden können und lassen Sie den Zeit- und Kostenaufwand, der seitens des Softwareanbieters anfällt, von diesem kalkulieren. Kalkulieren Sie ebenfalls den Aufwand, der seitens Ihres Unternehmens zu tätigen ist.
Falls neue oder zusätzliche Hardware und Systemsoftware für den Betrieb der neuen Software notwendig sind, so sind diese Kosten ebenfalls zu berücksichtigen.
Berücksichtigen Sie ebenfalls alle anderen zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwände, wie z.B. Schulung des Personals oder den zusätzlichen Personalaufwand bei Parallelbetrieb des alten und des neuen Systems.
Ein wesentlicher Punkt ist die nach der Installation der neuen Software benötigte Anzahl an Personal für die Betreuung und Pflege der Software und der Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs.
Vorentscheidung
Aus der Gesamtheit dieser Ergebnisse entsteht nun eine Entscheidungsvorlage, die der Geschäftsleitung präsentiert wird. Die Entscheidungsvorlage enthält die Bewertungsergebnisse und alle anfallenden Kosten für Hard- und Software inklusive Anpassungen, sowie Kosten der Installation, der Schulung, der späteren Personal- und Wartungskosten etc.
Die Entscheidungsvorlage sollte zumindest zwei Softwarepakete beinhalten. Wurden aufgrund von KO-Kriterien zwei der am besten bewerteten Softwarepakete ausgeschlossen, so ist die engere Auswahl auf die Softwarepakete mit der nächstbesseren Bewertung zu erweitern.
Stellen Sie die Vor- und Nachteile der einzelnen Softwarepakete nochmals übersichtlich dar und empfehlen Sie ein Produkt, das Ihrer Meinung nach am besten passt.
Die Geschäftsleitung trifft nun eine Vorentscheidung mit Festlegung der Reihenfolge der ausgewählten Softwarepakete entsprechend deren Favorisierung.
Funktions- und Qualitätstest
Nach dieser Vorentscheidung erfolgt für das ausgewählte System eine Testinstallation der Software im Unternehmen. Die Softwareanbieter werden Ihnen Soft- und nötigenfalls Hardware testweise zur Verfügung stellen.
Testen Sie nun inwieweit Sie den Arbeitsfluss und die Geschäftsprozesse des Unternehmens anhand der Software abbilden können. Testen Sie im wesentlichen anhand von Daten des Tagesgeschäfts und erfassen Sie z.B. manuell Artikel-, Lieferanten- und Kundendaten, tätigen Sie Bestellungen beim Lieferanten, buchen Wareneingänge, nehmen Kundenbestellungen auf etc.
Die Software sollte die einzelnen Arbeitsschritte einfach und korrekt verrichten und Ihre gute Arbeit bei der Vorauswahl bestätigen.
Werden die Geschäftsprozesse nicht zur Zufriedenheit abgebildet oder treten zu viele Fehler auf, ist der Test mit der nächsten Software aus der Favoritenliste durchzuführen.
Bei einer etablierten Software werden Sie durch Anfragen oder Besuchen bei einem, besser zwei Referenzkunden in der Größenordnung Ihres Unternehmens ein zusätzliches Maß an Sicherheit haben, dass Qualität und Antwortzeitverhalten der Software den Anforderungen entspricht und das anfallende Datenvolumen problemlos bewältigt wird.
Lasttest
Bei einer neuen Software oder fehlender Referenzkunden in der Größenordnung Ihres Unternehmens hinsichtlich der zu verarbeitenden Datenmenge, ist die Durchführung eines Lasttests notwendig.
Die Notwendigkeit das Antwortzeitverhalten zu testen wächst mit der Anzahl der Arbeitsplätze und der Größe des Unternehmens.
Lassen Sie sich Dokumentationen bereits durch den Softwareanbieter durchgeführter Lasttests mit vergleichbaren Datenmengen Ihres Unternehmens vorlegen oder verlangen diese.
Ist dies nicht möglich, so ist, mit nicht unerheblichem Aufwand, die Einrichtung eines Testszenarios mit benötigter Datenmigration, die Auswahl und Installation eines entsprechenden Tools zur Durchführung von Lasttests und die Durchführung des Lasttests selbst notwendig.
Ist das Antwortzeitverhalten ungenügend, so stellt sich die Frage, ob das Problem durch Aufstocken der Hardware-Ressourcen in genügendem Umfang zu lösen ist oder durch eine Optimierung der Software.
Spätestens an dieser Stelle sollte in Erwägung gezogen werden sich für den Test der nächsten Software aus der Favoritenliste zu entscheiden.
Entscheidung
Nach erfolgreichem Test kann nun die endgültige Entscheidung für die Software getroffen werden.
Es folgt nun die vertragliche Abwicklung verbunden mit einer verträglichen Gestaltung des Zeitplans für die Einführung der Software.
Regeln Sie solche und andere Dinge, die Ihnen am Herzen liegen vor der Unterschrift des Vertrags.
Nun folgt der nächste und definitiv abenteuerlichste Teil – das Projekt Einführung der neuen Software.